ACTA - was ist das eigentlich?
Eine sehr gute Erklärung findet sich hier
und auch die Tagesschau schreibt da sehr verständlich drüber.
Am 11. Februar ist deutschlandweiter Aktionstag - ich geh demonstrieren, was ist mit Euch?
Außerdem habe ich heute ein Date eine Studienberatung ein Date eine Studienberatungein Date eine Studienberatung. Hatte ich das schon geschrieben? Keine Ahnung, zur Sicherheit tu ichs nochmal: ich habe vor zwei Wochen am Wochenende einen Lehramtsstudenten kennengelernt - eigentlich eine großartig absurde Geschichte, die aber einen eigenen Post verdient (später und in Ruhe, ich blogge gerade im Büro *hust*). Jedenfalls hat er mich in einem großen sozialen Netzwerk gefunden, weil er sich meinen Nickname gemerkt hat - ich hatte ihm angeboten, bei seiner Staatsexamenvorbereitung zu helfen (hey, ich hab den Kram studiert - Pädagogik kann ich!) und heute treffen wir uns deswegen. Er hat nur wenig Zeit, hat seine Telefonnummer für eventuelle Verspätungsmeldungen nicht rausgerückt und alles in allem werde ich jetzt einfach ganz professionell und nett und charmant wie immer sein - ich muß niemandem beweisen, daß ich großartig bin, da muß mensch schon selber draufkommen.
Ich habe keine besonderen Klamotten an, sondern welche, in denen ich mich wohlfühle (sie sind sauber und passen farblich zueinander, das muß reichen).
Ich bin einfach sehr unbedarft, was das Getändel und Getänzel zwischen den Geschlechtern bzw. zwischen Menschen mit nicht jugendfreien Absichten angeht - weshalb ich auch nicht einschätzen kann, ob das nun ein Date ist oder nicht.
Nervös bin ich trotzdem.
Vielleicht ist der ja doof, wenn ich ihn mal nüchtern betrachte.
Heute ist nicht so mein Tag, fürchte ich.
Irgendwie bin ich mäkelig und lahmarschig und bewege mich mit der Geschwindigkeit einer Kontinentaldrift von Küche zu Wohnzimmer und wieder zurück - immerhin habe ich Frühstück gemacht. Das muß doch reichen an Tätigkeit.
Da ich aber jetzt noch Wäsche aufhängen muß (meine haushaltliche Crux und Achillesferse in Personalunion), mache ich uns mal Musik an, eine großartige Empfehlung von der Missy, und ich vergesse immer, wie die Band heißt ("Tick, Trick und Track! Nee...Huey, Dewey & Louie? Nee...Missy, Kitty und Dingens? Arrrgh, ich gebs auf.")
Kitty, Daisy & Lewis (irgendwann lern ichs noch) mit "Going up the country. Los, Boxen an, laut drehen und tanzen!
Hey, Universum - Du bist ja mal kreativ, danke dafür!
Gestern vollkommen unvorbereitet meinen inneren Stimmchen gefolgt, die gebrüllt haben "Eck" und dann geflüstert "Feinkost" und dort plötlzich inmitten einer Filmparty voller sich wichtig findender Personen des deutschen Films, geschlossene Gesellschaft, langes Gespräch über dies und das und nichts und Unsinn mit einem jungen, gut aussehenden Regisseur, von dem ich nichts wußte als seinen Vornamen.
Später stellte sich dann heraus, daß der gute Mann hier in der Stadt seit Jahren eine Freundin hat, bei der er mit zwei Kumpels für die Dauer des hier stattfindenden Filmfestivals übernachtet und sie nun gehen müssen - einerseits total mies, daß er mir das nicht früher gesagt hat (vor allem, weil er vorher was von Hotel erzählte und daß er schon mal hier war in den letzten Jahren, seine Freundin aber als Grund unerwähnt ließ, bis es unvermeidbar war), aber andererseits fühle ich mich geschmeichelt, weil er mich offenbar so interessant fand, daß er dachte, er müsse mir seinen Beziehungsstatus verschweigen. Vielleicht macht der Mann das immer so, who knows, aber ich interpretiere das jetzt einfach mal so, daß er von der Smirischen Großartigkeit dermaßen überzeugt war, daß er gelogen hat. Nicht nett, aber nachvollziehbar.
Eigentlich auch egal: Schöner Mann, gutes Gespräch, schöne Stimme, noch großartigerer Abend und wahnwitzig ironisch, daß meine Kollegin und Freundin Frau K. (die jeden Abend in irgendwelchen Festivalfilmen weilt und den deutschen Film sehr schätzt), die ich just an dem Abend noch anschrieb, ob sie mitkommt, sich dagegen entscheidet - und ich, die ich mit dem deutschen Film und dem Festival so gar nichts am Hut habe, sitze plötzlich mittendrin und unterhalte mich mit Regisseuren und schaue Kulturschaffenden beim Feiern zu.
Was ich eigentlich erzählen will (jaja, ist ja gleich soweit, Geduld): Ich habe heute mal recherchiert (frau will ja schließlich wissen, ob das wenigstens ein guter Regisseur ist), ich wußte nur seinen Vornamen und den groben Titel eines Films, mit dem er schon mal hier beim Festival war.
Und jetzt kommt der "Zufall", den ich so interessant finde:
Sein aktuelles Projekt, wenn ich das richtig verstehe (aber ich verstehe vom Film ja nix, weder vom deutschen noch vom internationalen, was weiß denn ich), handelt von Liebe ohne Sex.
Das paßt derzeit sehr gut zu mir.
Ich will von einem Gehirn, Geist, Herz berührt werden, bevor ich von einem Körper berührt werden möchte.
Und deswegen will ich auch keine One Night Stands, die über bißchen knutschen hinausgehen - wenn mich jemand in der Seele nicht berührt, soll er_sie mich auch am Körper nicht berühren.
Also danke, lieber deutscher Regisseur: Du warst für einen Abend mein Traummann und hast mir etwas beigebracht und meine Überlegungen zentriert. Gleichzeitig hast Du mir eine Gelegenheit gegeben, einen Feldtest meiner Erkenntnisse der letzten Wochen durchzuführen.
Das Ergebnis: Ich bin noch nicht soweit.
Ich schwanke minütlich zwischen Angst, Ablehnung, verzweifelter Suche nach Zuneigung und Geborgenheit, Unabhängigkeit, alten Mustern, neuen Mustern, überhaupt keinen Mustern und dem Bedürfnis, mich gleichzeitig aus dem Universum rauszuhalten und mich mit ihm zu vereinen.
Und heute denke ich: das ist okay so, das darf so sein. Ich muß nicht konsequent widerspruchsfrei durch mein Leben laufen wie eine mathematische Gleichung mit feststehenden Axiomen.
Ich habe so viele Axiome, daß die in Schichten arbeiten, wies scheint, und sich immer mal abwechseln - heute will ich mal gültig sein! Nee, Du warst gestern schon! Och, immer darf die und ich nie! Na gut, aber in zehn Minuten bin ich wieder dran!
Kinners: Ihr dürft alle, nur die Ruhe.
Universum, Deine Botschaft ist angekommen: Jetzt. Noch. Nicht.
Und: Ich weiß jetzt, was ich will (da sind sich die Axiome merkwürdigerweise einig...zumindest im Moment) oder was mir gut täte: Das, was ich schon mal hatte, nur in erwachsen.
Und ich finde das, sogar ohne zu suchen, ich muß nur abwarten, alles zu seiner Zeit.
Und heute ist das Warten gar nicht schlimm.
Dieses Bild habe ich immer im Kopf, wenn ich mich bei wirren Gedanken ertappe, vollkommen entkoffeinierten Unsinn anstelle oder über mich selber lachen muß.
Und natürlich auch, wenn in meiner Umwelt Menschen seltsame Dinge tun.
In Verbindung mit meinen Träumen der letzten Tage und Nächte und wirklich merkwürdigen Anwandlungen meines (Unter-)bewußtseins möchte ich mich damit an dieser Stelle zur Vernunft mahnen und höflich, aber mißbilligend nachhaken:
"Excuse me, but wtf am I doin?"
Ich versteh mich selbst grad nicht, aber eine leise Stimme zuckt mit den Achseln (jaja, ich weiß, Metapher, Stimmen haben keine Achseln, DIE HIER SCHON) und antwortet:
"Because I CAN."
Ich denke viel nach die letzten Tage.
Das neue Jahr hat angefangen, und es hat angefangen, mir Spaß zu machen.
Ich habe angefangen, loszulassen, die ganzen Menschen, die mich begleitet haben ein Stück und jetzt zu Menschen geworden sind, die ich mal kannte, wie Mister B. und der Anker. Die anderen auch, aber das sind die beiden, die ich zur Zeit am meisten vermisse.
Ich definiere mich neu und suche weiter - und merke, wie ich mich langsam wieder auf Menschen einlassen kann und das Universum zulassen und dem Leben zuhören.
Nicht immer, aber langsam.
Und ich fange an, wieder auf Zeichen und Wunder zu achten - und falle prompt über dieses Lied, was so gut paßt:
Walk off the Earth, Somebody I Used to Know.
Und genau diese verlorenen Lieben fange ich an, loszulassen und mein Herz wieder fliegen zu lassen, weiterzusegeln - da ist das offene Meer, da muß ich hin.
Danke, Universum: Ich höre Dir wieder zu.
[Nachtrag: Wenn jemand dies liest, der Mister B. oder den Anker kennt - grüßt sie bitte von mir. Danke für die Zeit, Jungs. Ihr macht Euch keinen Begriff, wie sehr ich Euch vermisse - und Euch gleichzeitig dankbar bin für die tolle Zeit. Ich wünsche Euch das Beste, was auch immer Ihr tut. Tut Euch nicht weh, da draußen im Leben, und paßt auf Euch auf! Ist manchmal kalt auf dem offenen Meer, und stürmisch.]
In zwanzig Minuten werde ich 32.
Zeit, zu rekapitulieren, Zeit, nachzudenken, was war und was ist und was hoffentlich sein wird.
Nur ein kurzes Fazit:
Das letzte Jahr war anstrengend, körperlich und seelisch, aber auch verdammt lehrreich.
Ich bin mehr denn je ich selbst und immer noch auf dem Weg.
Was ich mir wünsche: Weitergehen und auf das Universum vertrauen, daß es mir Begegnungen beschert, die mich weiterbringen.
Mut, "mein Ding" (was auch immer das sein wird) weiter durchzuziehen.
Meine Lieben an meiner Seite.
Mehr brauche ich gar nicht.
Danke an alle, die im letzten Jahr bei mir waren und sind.
Schon wieder ein Monat ohne bloggen - wo geht das ganze Gefühl bloß hin?
Ich bin hier und auch nicht und mit manchem fertig und manchmal einfach nur fertig.
Ich muß was ändern, die Uhr tickt und ich fühle mich eingesperrt im Alltag und wirklich frei nur mit dem Rucksack auf dem Rücken, im Stuttgarter Schloßgarten, auf Demos, in Zelten, auf der Straße, im Freien.
In der Occupy-Bewegung, bei den Menschen, die was verändern wollen, bei den 99% - auf den Straßen, in Stadtparks, mit Schildern und V-Masken.
Mehr weiß ich grad nicht.
Außer vielleicht noch: Echo und ich, wir haben uns wiedergesehen. Und gehören auf eine Weise zusammen, die sich außerhalb von Schubladen abspielt: Auf der Straße, im Freien, im Schloßgarten. Ich merke, ich möchte ihn in meinem Leben haben - ich brauche ihn in meinem Leben.
Und Veränderung.
Und Reisen.
Und ein anderes Leben.
Eines, in dem Echo und ich uns nicht gegenseitig ausschließen.
dieser Post ist recht explizit und gnadenlos ehrlich. Er zeigt, daß Smiri keine Pastorentochter ist, sondern durchaus Abgründe und Untiefen in sich trägt. Und es geht um Sex bzw. Nichtsex.
Falls Du mich als empfindsame, scheue, keusche Dame in Erinnerung behalten möchtest, bitte nicht weiterlesen - wobei ich mir nicht erklären könnte, woher dieser Eindruck stammen sollte...aber ich dachte, ich erwähne es mal.]
Das Meer braust und tost derzeit, liebes Internet: Ich bin nur noch unterwegs, trinkend und tanzend, verdrehe Männern die Köpfe, zumindest für diese eine Nacht, und bin sehr ruhelos und sehr müde gleichzeitig.
Und am nächsten Morgen immer alles ganz nett, sehr verkatert und dann der Abschied und dann das Warten: Ruft er an? Und die Erwartung: Ach was, der ruft nicht an - und dann die Enttäuschung: Er ruft wirklich nicht an. Und dann ist Mittwoch und fast schon wieder das nächste Wochenende, die nächste Nacht, der nächste Mann.
Aber, Internet: Es geht mir nur ums Kopf verdrehen und Arm in Arm einschlafen. Mehr ist da nicht, mehr will ich nämlich nicht. Ich behalte mir vor, jemanden mit nach Hause zu nehmen und dann nicht mit ihm zu schlafen, sondern neben ihm. Und das tut mir alles in allem gut, gibt Bewegung und Ausgleich, Bestätigung und Kontrolle über die Situation, zwar nur bis zu dem Moment des Abschieds, aber immerhin.
Die Männer sind allesamt jünger, das macht es für mich einfacher und reizvoller. Ich mag Männer AnfangMitte 20, weil sie noch offener und weniger schrullig sind, weil sie wunderschöne Körper haben und gut riechen, weil sie viel trinken und trotzdem noch gut küssen können, weil sie von Frauen um die 30 fasziniert sind, weil sie noch zu beeindrucken sind: Von der Welt, von mir, von Frauen überhaupt. Weil sie noch nicht alles gesehen, alles schon mal gehört, alles schon mal gemacht haben. Und, ja: Weil ich sie beeindrucken kann, mit mir, weil ich sie nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung empfinde. Weil sie niedlich und sexy gleichzeitig sind, weil ich mit ihnen umgehen kann. Es geht auch um Kontrolle und um Macht und das Gefühl, eine Situation bestimmen zu können - und vielleicht hole ich mir das zurück, was ich in manchen Beziehungen vermißt habe, nämlich das Gefühl, die Fäden in der Hand zu halten und zu agieren, nicht nur zu reagieren.
Also ganz eitel und unschön und unsympathisch: Machtstreben, Selbstbestätigung, Egotrip. So bin ich nämlich auch, Internet: Unsympathische Femme fatale, die sich einfache Beute aussucht, weil sie Angst vor Gleichaltrigen hat.
Und trotzdem: Jedesmal nach einer solchen Nacht sitze ich Löwin vor dem Telefon und warte, daß die Gazelle sich meldet.
Ich komme mir vor wie ein schlimmer Mensch, wenn ich das hier schreibe, aber ich weiß, daß es so ist: Ich stehe im Moment auf Männer, die fünf, sechs, sieben Jahre jünger sind als ich. Weil sie mir nicht so wehtun wie die in meinem Alter. Weil sie in meinem Hirn aufgrund ihres Alters von vorneherein nicht als potentielle Partner in Frage kommen - deswegen kann ich einfach so sein, wie ich bin, und muß nicht das Ehevermittlungsprogramm fahren, wie ich es sonst unbewußt gerne tue.
Und beim Tippen merke ich, der letzte Punkt ist ja Käse: Was hindert mich denn daran, mit einem jüngeren Mann eine Beziehung zu führen? Wenn wir zueinander passen, ist das doch eigentlich egal...Oder anders: Vielleicht passe ich in der jetzigen Lebensphase eh nicht zu den Männern meines Alters, sondern zu den Mitte20ern.
Und noch ein abgefahrener Punkt, den ich hier noch gar nicht erwähnt habe: Ich bin so mit meinem Körper zufrieden und finde mich in meinen lauten Klamotten und mit den kurzen Haaren so gut, daß ich offensichtlich sowieso viel lauter, offener und ich selbst bin - und damit plötzlich Wahnsinnserfolg bei Männern habe. Mit Kleidergröße 48 und derzeit 103 Kilo Körpergewicht. Mwaha, Schönheitsideal: Nimm das.
Ach so, und ja: Ich habe kurze Haare, hervorragend, nie wieder lange und so.
Ergebnis der letzten Wochen inklusive zweier Tagungen, wenig Zeit zuhause und zuwenig Schlaf, alles in allem, und zuviel Alkohol, alles in allem: Ich habe Halsweh und Ohrenweh und Schnupfen und mich heute vollkommen umsonst an die Uni geschleppt, weil in meinem Universum mein Seminar heute stattfindet, in der Realität aber erst morgen. Ist mir noch nie passiert, sowas, saudoof und Zeichen für: Ich brauch Urlaub.
Den habe ich zum Glück nächste Woche.
Und ich glaube, ich gehe gleich einfach heim und lege mich ins Bett. Und starre löwinnengleich auf mein Telefon. Könnte ja wer anrufen. Eine Gazelle, womöglich.
Eine Frau wie das Meer, so fühle ich mich.
Letztes Wochenende bin ich nach Sylt geflüchtet, hab mir die Nordsee angesehen und war zum ersten Mal in meinem Leben nackt baden, ich, Smiri, Kleidergröße 48 und knapp hundert Kilo schwer, lag zunächst in einem Leopardenbikini am Strand und bin dann nackt in der Nordsee geschwommen, man stelle sich das vor.
Manchmal braucht es ein ganzes Meer, um den Schlamm von der Seele zu spülen, und ich bin wacher und sensibler wieder nach Hause gekommen, weniger traurig, auch wenn ich jetzt mehr weine (bzw. überhaupt mal wieder weinen kann): Ich bin mehr bei mir und anwesend und weniger verzweifelt.
Und Echos Kommentar hat mir die Tränen in die Augen getrieben, weil es das ausdrückt, wie es mir geht: Ich verarbeite nach und nach all die Phasen dieses Jahres, in denen ich nur funktioniert habe. Und dazu gehört: Echo, ich vermisse Dich. Ich vermisse die Zeit im Park, ich vermisse unser nächtliches Gekicher im Zelt, ich vermisse das entspannte Rumhängen und das Leben auf sich regnen lassen. Du fehlst mir, mit Deiner Verpeiltheit, Deinen Poi, Deinen schönen schmalen Händen.
Aber ich fürchte, wir können nur an einem fixen Punkt in der Zeit zusammenkommen und uns nicht gut in der Zeit zusammen bewegen: Du und ich, wir sind ein Traum, wir sind Urlaub, freie Zeit, wilde Träume, schöne Stunden. Aber sind wir real?
Ich fürchte nicht, und deswegen habe ich mich von Dir getrennt: Ich schaffe den Spagat nicht auf die Dauer, zwischen zeitloser Momentaufnahme und kontinuierlichen Alltagsanforderungen. Wenn Du stehenbleibst oder driftest, ich aber voranschreiten muß, dann können wir nicht nebeneinander gehen.
Und doch: Du fehlst mir, und ich halte unsere gemeinsame Zeit als etwas Schönes, Kostbares und Wertvolles.
Wenn ich auch aus der Zeit ginge, dann könnten wir uns ein Luftschloß bauen.
Aber Benjen, ich muß ans Meer und nach Großbritannien und dort will ich leben - und das gut und konkret und in echt und nicht nur in der Phantasie. Und ich will dort arbeiten und einen Tagesablauf haben und einen Herd und kochen und Leute einladen und in einem Pub sitzen. Ich will in der Zeit leben, mit der Zeit - und nicht daneben oder außerhalb.
Ich habe beim Blick auf das Meer festgestellt, daß ich ein wunderbares Segelschiff habe, welches ich befehlige - und was dafür gemacht ist, raus aufs Meer zu segeln, Stürmen zu trotzen, einen Kurs zu halten und sich den wilden Wogen zu stellen.
Die Mitfahrer, die ich bis jetzt hatte, konnten dem nicht standhalten.
Sie hatten Angst vor dem offenen Meer, wie der Mann, dem es zuviel wurde, als wir den Hafen verließen und sich die ersten Wolken zeigten und Schaumkrönchen auf den Wellen. Manche Menschen wollen eben lieber ein Haus am Hafen - oder noch besser, ein Haus weit weg von der Küste.
Sie wollten manchmal den Kurs bestimmen und alles verändern, kaum daß ich weggesehen habe, sind mit Absicht in den Sturm gefahren und haben mir das Ruder aus der Hand gerissen wie der Miszter auf seine wilde, schöne und doch gefährliche Art.
Sie haben sich ein eigenes Schiff gebaut, bei mir gelernt, wie das mit dem Segeln geht, und dann ihren eigenen Kurs gesetzt, weg von mir, zu neuen Ufern, zu ihren eigenen Inseln, wie der Pferdedieb.
Sie haben sich meinen Kurs angesehen, sich meinem Kommando gefügt, aber heimlich Löcher in die Segel geschnitten oder den Wind aus meinen Segeln genommen: Flaute und herrlich entspanntes Dümpeln auf der ruhigen See. Wie Echo. Aber dadurch segeln wir nicht, kommen nicht vorwärts, und ich muß doch aufs Meer! Ich muß doch segeln! Ich muß doch weiter!
Das sind meine Nordseeerkenntnisse gewesen, und ich habe mich höflich bei ihr bedankt, daß ich diese Gedanken mit der großen blaugrauen Weite teilen durfte.
Ich muß wirklich am Meer wohnen. Nichts sonst macht mich so friedlich und ruhig und entspannt wie das Woosh-woosh-woosh der Wellen und die kreischenden Möwen und der Sand und der Wind und das Wasser. Da tue ich mir gut und Gutes, achte auf mich und kann klar denken. Ich muß alle paar Jahre das Meer sehen, sonst gehe ich ein, einfach so, wie eine Salzprimel*.
Eine Frau wie das Meer, ich sags ja.
[*Wer mich kennt, weiß, daß ich von Botanik genausoviel Ahnung habe, daß ich einen Kaktus von einer Tulpe unterscheiden kann. Eine Salzprimel ist ein kleines Blümchen, was gerne eingeht, wenn es nicht gegossen wird. Und zwar mit Meerwasser. Was denn? In einer Welt, in der es Pflanzen mit Namen wie "Affenbrotbaum" gibt, kann es auch Salzprimeln geben.]
...mir ist soeben bewußt geworden, daß ich zur Zeit die Einzige der Mädels bin, die Single ist.
Na bravo.
Und da die anderen fünf alle derzeit mit Partnern zusammen sind, denen ich durchaus lange Beziehungsfestigkeit attestiere, wird sich daran auch so schnell nichts ändern.
Außerdem hat sich meine Mutter gemeldet, ihr Umzug steht an und macht mich fertig. Lange Geschichte, irgendwann mal eigener Post. Nicht heute.
Und außerdem hab ich immer noch keine Dissertation und mein Chef schimpft, daß ich so wenig Methoden kann.
Und noch außerdem habe ich meine Tage und Kopfschmerzen.
Und noch außerdem haben morgen der Ex-Mann und Ex-Echo Geburtstag.
Ich möchte mich bitte hiermit in einer dunklen Höhle zusammenrollen, mich mit einem Bärenfell zudecken und von dieser Welt verschwinden, bis das alles vorbei ist.
Grob geschätzt: nächsten Sommer.
Und wie immer gilt: Zusammenreißen und lächeln, alles nicht so schlimm finden und weitermachen, bis ich zusammenbreche. Kann nicht mehr lange dauern.