So.
Vier Wochen vegan, bis auf zweimal vegetarisch in der Mensa (ich war verkatert und brauchte die Glutamate), einmal vegetarisch im Restaurant, einmal die letzten beiden Eier aus meinem Kühlschrank nebst einem Croissant zum Frühstück und einmal unvegane Mayo am Nudelsalat (die mußte auch mal dringend gegessen werden).
Wie isses denn so?
Abgesehen vom Seelischen, was nix mit der Ernährung, sondern mit "den Umständen" zu tun hat (dazu später mehr) - saugut.
Vegan geht, tut mir gut, ist bis auf wenige Ausnahmen sehr gut durchführbar.
Milch: Vermisse ich gar nicht, ich hab mich ziemlich arg an den Sojamilchgeschmack gewöhnt und das Argument von wegen "Muttermilch einer anderen Spezies trinken" hat mich nachhaltig beeindruckt. Also: Milch muß ich nicht mehr haben, echt nicht.
Sahne: Vermisse ich auch null. Sojasahne ist super, schmeckt lecker, macht genau das, was Sahne machen soll und rockt total.
Käse: Von dem dachte ich anfangs, das wird meine Crux - eine Woche ohne Käse erschien mir schon unvorstellbar. Immerhin liebe ich es, mir Samstags im Karstadt an der Käsetheke kleine Stücken französischen Stinkekäse oder Greyerzer oder Ziegendings zu kaufen und den Käse am Wochenende einfach so und ohne alles zu essen.
Aber nach vier Wochen ohne Käse habe ich gemerkt, daß ich ihn auf dem Brot wenig bis gar nicht vermisse, zum Überbacken allerdings schon. Ich hab nicht so Bock auf Analogkäse und Chemie, aber Hefeschmelz hab ich einmal probiert und mich seitdem nicht mehr getraut (hehe).
Also: Mozzarella und Reibekäse kann ich mir ab und zu vorstellen. Beziehungsweise vermisse ich das. Besonders Mozzarella. Das ist ein vollkommen anderes Fazit als erwartet.
Auswärts essen: Schwierig. Ich esse nicht andauernd und sowieso nicht so gerne Salat oder Nudeln mit Tomatensoße. Und das ist oft das einzige wirklich vegane, was auswärts geht. Hmpf. Von daher werde ich mich da wohl vegetarisch ernähren, was ich aber durchaus legitim und okay finde. Ich gehe schließlich nicht jeden Tag im Restaurant essen.
Schokolade: Geht auch. Gibt ja viel Veganes, witzigerweise habe ich seit Beginn des veganen Selbstversuches viel weniger Bock auf Süßigkeiten (sondern einfach IMMER Hunger auf Deftiges). Von daher paßt das. Mein bisheriger Favorit:
Ethiquable Zartbitter-Sternanis-Sesam-Schokolade. Schmeckt wie Weihnachten und ganz warm.
Backen: Macht Spaß in vegan. Monsieur le Marmor und Schokoladengeburtstagsmuffins für die Missy, beides vegan, beides lecker.
Mein Umfeld: Findet es super. Ich bin ma gespannt, wie super das alle finden, wenn ich das weiter durchziehe, hehe.
Jedenfalls habe ich sehr viele positive Reaktionen bekommen, gefolgt von Aussagen wie "Also, ich könnte das nicht", "Ich finde das bewundernswert" und "Wie hältst Du das denn nur aus?".
Und das finde ich fast schon wieder ein wenig nervig: Ich bin keine Heldin oder moralisch überlegen oder voller Willenskraft und anderer Tugenden, nur weil ich mich mal vier Wochen vegan ernährt habe.
Das hat für mich NICHTS damit zu tun, ob man "was kann" oder mit "Verzicht" oder mit "Kraft". Ich wollte einfach mal ausprobieren, wie es ist. Und es fiel mir nicht schwer und tut mir wirklich gut (meine Haut, ich kann Euch sagen: Reinster Alabaster! Kann aber auch am Lush-Duschgel liegen). Und deswegen mache ich weiter. Und das kann meiner Meinung nach jeder Mensch, da braucht es keine speziellen Spezialkräfte für. Man kann sich auch vegan ernähren und nur Junk Food essen - mal so als Tip für die Kochfaulen (selbst ausprobiert, geht super).
"Vegan" heißt übrigens nicht das Gleiche wie "moralisch sinnvoll, aber grau und eklig und niemals lecker". Wenn Ihr ab und zu mal nen Apfel eßt oder Nudeln mit Tomatensoße oder Nachos mit Guacamole oder Zartbitterschokolade oder Linsensuppe mit Essig (yikes! Das geht nur mit Sahne! Sojasahne ftw!) oder einen Salat mit leckerer Vinaigrette - dann habt Ihr Euch schon vegan ernährt. Just saying.
Und bevor jemand fragt, ich mache das auch nicht, um abzunehmen - auf die Idee kam ich von selber gar nicht!! Ich war echt verblüfft, als mich das jemand gefragt hat, klar, dicke Frau, vegane Ernährung, die will abnehmen - und Veganer_innen sind auch alle spargeldünn, hallo, Vorurteil. Gähn.
Zur Beruhigung: Ich wiege übrigens immer noch hundert Kilo, vier sind in vier Wochen verschwunden, wohin auch immer, aber jetzt scheint sich mein Gewicht eingependelt zu haben, zum Glück! Ich hab mir schon Sorgen gemacht.
Ich will niemanden missionieren und niemandem auf den Sack gehen, ich sehe außerdem nicht ein, plötzlich ein Cape tragen zu müssen, nur weil ich andere Konsumentscheidungen bezüglich meiner Ernährung treffe als andere Leute.
Ich finde dieses Hin- und Hergebashe zwischen Vegetarier_innen, Veganer_innen und Omnivoren totalen Mist (Vegans vs. Vegis, Omnis vs. Vegis/Vegans, Vegis/Vegans vs. Omnis, nerv!) und vollkommen unnötig. Ich muß nicht jedem Menschen, der in meiner Nähe Fleisch ißt, was von toten Tieren erzählen, genausowenig will ich von jemandem hören, dem ich erzähle, daß ich vegan esse, wie geil er jetzt ein Steak fände oder daß ich ja ein Karnickel wäre oder seinem Essen das Essen wegessen würde.
Ich kann mir keine Dokus über Massentierhaltung ansehen, weil ich dann kotzen muß oder weinen oder am besten alles gleichzeitig (wie sähe das aus!) - und deswegen würde ich auch niemandem sowas weiterleiten. "Tiere essen" von Foers hat mich schon genug verstört.
Ich möchte den Konsum von Fleisch nicht mit dem Konsum von Menschen vergleichen (
How about I eat you, fucker?, das ist noch eine der absolut harmlosen Versionen, ich hab mal ein Bild gesehen, das war wesentlich geschmackloser und das ging so gar nicht, deswegen will ich hier sowas auch nicht posten, Stichwort: Metzgerei mit Tieren als Metzgern und Menschen als - you get the picture.) - denn selbst wenn das Argument irgendwie stimmig sein sollte oder für irgendwen stimmt oder was auch immer, ich hasse diese "In-die-Fresse-Ihr-seid-moralisch-schlechter"-Taktik.
Ich würde eventuell sogar Fleisch und/oder Fisch essen, wenn ich wüßte, daß es den Tieren wirklich gut gegangen ist und sie ein gutes Leben hatten. Und irgendwie human (!) geschlachtet worden sind.
Oder Eier essen von Hühnern, die ich persönlich kenne - und die auf einem Bilderbuchbauernhof leben.
Oder meine Wollsachen weiter anziehen.
Oder meine Lederschuhe weiter tragen.
Oder Kosmetik von Lush benutzen, in der Honig drin ist (there is nothing like Flying Fox!).
Absurd, wie mir gerade auffällt: Tiere sind für mich alles Personen bzw. Persönlichkeiten, aber Personen, die man essen kann, die ich aber nicht mehr esse, weil es Personen sind...?!? Ja, ich weiß, ich verstehs auch nicht: Nie fragen!
Aus Veganer_innensicht komme ich daher sowieso in die Hölle, aus Omnivorensicht bin ich nicht konsequent und man könnte versuchen (und manche Leute MÜSSEN das offensichtlich), mir Argumente zu liefern, wieso ich total doof und scheiße und bigott bin ("Aber die Sojaproduktion - Du ißt andauernd Soja, Du zerstörst den Regenwald!!!" - hat tatsächlich eine Bekannte von mir zu hören bekommen. Dabei gehen 85% der produzierten Sojapflanzen an die Tierfütterung.), Vegetarier_innen denken gerne, sie müßten sich sofort rechtfertigen, daß sie keine Veganer_innen sind ("Ich kann halt nicht ohne Käse").
Leute: Entspannt Euch. Ich mache das, wie ich das für richtig halte und Ihr auch. Ich kann Käse lecker finden und ihn aber einfach zuhause nicht essen und fertig. Ich esse meinen Tofu und Ihr Euer Steak und wir lassen uns beide in Ruhe und wünschen uns gegenseitig guten Appetit und gut. Okay?
In diesem Sinne: Weitermachen.
smiri - 21. Feb, 12:26