Letters to Lords and Ladies

Sonntag, 5. Februar 2012

Letters to Lords and Ladies: Mister B.

Mister B.,

wir waren zwar nur eine kurze Zeit miteinander unterwegs, aber meine Fresse, hat das gerockt und war das anstrengend.
Kennen tun wir uns schon seit Jahren, schon aus dem Studium, weil Du mit einer Kommilitonin von mir jahrelang zusammen warst.
Ewigkeiten später (also Ende 2009, Anfang 2010) haben wir uns in der Disco getroffen und uns zum ersten Mal wirklich unterhalten.
Ich war sofort begeistert von Deiner Art zu sprechen und meinen Geist herauszufordern. Scharfe Zunge, gute Argumente, da mußte ich wirklich mitdenken, um mithalten zu können.
Wir haben viel getrunken, Gin Tonic (seitdem bin ich auf den Geschmack von gutem Gin gekommen), und geraucht (rote JPS).
Und unsere Gehirne haben kleine Tentakel bekommen, die sich ineinander verschlungen - geistige Befruchtung auf höchstem Niveau, so kams mir vor.
Ich war fast sofort verliebt, Du jedoch - mittlerweile (viele Gespräche und Gedanken später) denke ich, daß Du es nicht geschafft hast, von Deinem merkwürdigen Egoproblem wegzukommen. Frau an Deiner Seite als Statussymbol, wichtig ist das Aussehen, was bestimmten Kriterien entsprechen muß, die ich nicht erfüllt habe. "Ich finde Dich körperlich einfach nicht attraktiv", hast Du damals gesagt. Was Du glaube ich bis heute nicht verstanden hast: Jemanden lieben heißt, diesen Menschen als Gesamtpaket lieben - körperliche und geistige Anziehung gehen da Hand in Hand. Wenn ich liebe, dann weil er_sie so ist und punkt. Wenn das Aussehen des Menschen zufällig in eine gesellschaftlich akzeptierte Konvention von "Schönheit" fällt, na gut. Wenn der Mensch physische Attribute aufweist, die ich persönlich anziehend finde, auch gut. Aber die Hauptanziehungskraft geht von der Dynamik zwischen zwei Menschen aus, und ich glaube, gespürt hast Du das auch, aber nie wirklich begriffen.
So kam es, daß wir nächtelang Serien geschaut haben, in Deinem WG-Zimmer auf der alten Bettcouch auf dem RIESENFernseher. Battlestar Galactica kam von Dir, Dr Who kam von mir.
Und wir haben am Fenster gestanden und geraucht, in der ziemlich verranzten WG, die dringend mal einen Anstrich nötig gehabt hätte.
Ich habe so oft bei Dir übernachtet, immer Arm in Arm, manchmal noch mit dem Kater Deines Mitbewohners dazu im Bett.
Ich war verliebt in Deine Hände und in Deine Stimme. Darin, daß Du mir immer wortlos Zigaretten angeboten hast, wenn Du Dir eine angemacht hast - Du hast zwei genommen, beide angezündet und mir dann eine gegeben. Das fand ich toll, warum auch immer - es war für mich einfach Ausdruck tiefer Verbindung, wortlos teilen.
Dann irgendwann (ich war auf dem Weg zu einem Date mit einer Frau, fällt mir gerade ein, wie absurd), auf dem Bahnsteig, haben wir uns zum ersten Mal geküßt und ich dachte, ich fliege weg oder explodiere. Das Gefühl war unfaßbar intensiv - ein perfekter Moment, den ich niemals missen möchte. Dieser erste Kuß war genau so, wie ich mir einen ersten Kuß immer vorgestellt habe.
Danach immer das Umeinandertänzeln, was Körperkontakt angeht - wieviel geht, wieviel dürfen andere sehen - und in der Rollenspielrunde (Warhammer 40k) war irgendwann auch allen klar, daß da irgendwas ist, was über reine Freundschaft rausgeht.
Wir haben jeden Tag telefoniert oder geskyped, wenn Du auf Nachtschicht warst, uns eigentlich jeden Tag gesehen und geredet und geredet und geredet. Bis aufs Messer diskutieren, über alles Mögliche.
Du hast mir den Spitznamen "bee charmer" verpaßt, weil ich so gut mit Bienen umgehen kann, oder auch kurz "bee".
Die Bienenbetörerin.
Das fand ich schön.
Und ich fand Dich wunderschön, und uns beide zusammen auch.

Du hattest die ganze Zeit über eine Freundin, das weiß ich, das hast Du mir direkt gesagt - und ich habe mich darauf eingelassen, auf diese ménage à trois. Das hätte von mir aus auch so weiterlaufen können, was mich nur unheimlich geärgert hat: Daß Du der anderen nichts von mir erzählt hast.
Da fing es dann an, echt kompliziert zu werden.
Und auch doof.
Ich wollte mehr, alles, auf einmal - und Du wolltest mich genau da, wo ich war, im Hintergrund, in der zweiten Reihe, obwohl Du und ich überall zusammen hingegangen sind, aber in der zweiten Reihe war ich trotzdem.
Wir haben einmal miteinander geschlafen. Und es hat überhaupt nicht funktioniert.
Das war ein ganz großes Menetekel: Smiri, das hier, das wird nix. Das läuft nicht.

Und dann hast Du irgendwann eine dritte Frau kennengelernt, mit der Du heute noch zusammen bist, und da habe ich gedacht, Schluß, drei Frauen sind mindestens eine zuviel.
Da wurde mir dann bewußt, was Dir am meisten zählt: Du, und die Welt so zurechtzuargumentieren, daß sie Dir paßt. Du manipulierst gerne Menschen, und das gut, aber was dahinter ist, was DU wirklich bist - weiß ich nicht. Und ich weiß auch nicht, ob Du das weißt.

Und dann bin ich gegangen und habe meine Tentakel aus Deinem Gehirn gewunden und den Knoten zerschlagen.

Ich habe Dich vor kurzem im Supermarkt getroffen und wir haben uns ganz normal unterhalten - ein bißchen wie früher, die Tentakel haben gezuckt, aber sich nicht verbunden.
Du hast Dich verändert und doch nicht - Deine Haare abgeschnitten (sah doof aus), immer noch der gleiche Job, blasse Haut (weil klassisches Nerdkellerkind), Katzenstreu und Joghurt im Einkaufswagen.
Ich habe gemerkt, ich habe mich verändert, und das gravierend.
Du hast dazu beigetragen - ich bin ein Stück nerdiger geworden, und mißtrauischer, letzten Endes. Ich bin offener geworden, was Beziehungsmodelle angeht (zumindest theoretisch).

Ich wünsche Dir, daß Du Dich von Dir selber frei machst, weil Du wirklich toll bist und Dir aber selbst im Weg stehst, frei für enge Bindungen zu sein. Ich hoffe, daß es bei Dir und Deiner Freundin gut läuft und Ihr Euch gut tut.
Und ich hoffe, daß Du immer noch an mich denkst, wenn Du Dr. Who schaust, und an die Nächte, in denen es nur uns in Deinem Zimmer gab und unsere Tentakelgehirne.
Ich habe bis heute nicht weitergekuckt und bin immer noch am Ende der dritten Staffel, weil ich das so mit Dir verbunden habe, das gemeinsame Serienkucken. Aber heute fange ich an, an diesem Sonntag, denn ich will wissen, wies weitergeht.

Thank you, Mister B., and all the best,

Smiri

Freitag, 20. Januar 2012

Anker. Nachtrag.

Ich habe dank Ecosia (grüne Suchmaschine, empfehlenswert, aber das nur am Rande), in jahrelanger Recherchearbeit geschulter (also wirrer) Suchstrategien und plötzlich aufploppender Erinnerungen Ankers altes Weblog, was er schon vor Jahren dicht gemacht hat, wiedergefunden. Und alte Fotos von damals, bevor und nachdem wir uns kennengelernt haben. Anker, wie ich ihn kannte, mein Anker eben.
Und weil ich mich vor Urzeiten mal in mir eigentlich unnötig erscheinenden sozialen Netzwerken der Businessart angemeldet habe, habe ich dort auch ein aktuelles Bewerbungsbusinessseriösfoto gefunden. Graue Haare, grauer Anzug, grau gestreifte Krawatte, grauer Hintergrund.

Grau in grau.

Ich hätte ihn im ersten Moment nicht wiedererkannt.

Bis auf die Augen und den Blick.

Irgendwo da drin, in dem grau in grau-Foto, steckt immer noch mein Anker von damals.

Ich wünsche mir, daß es Dir gut geht. Und Dein Leben nicht so grau ist wie Dein Foto.

Danke für alles und machs gut.

Dienstag, 17. Januar 2012

Letters to Lords and Ladies: Anker.

Anker,

Du warst der, der mich zum Bloggen gebracht hat - der mir die Urversion des Smiriblogs aufgesetzt hat, auf Deinem alten Server.
Du warst der, der mir überhaupt den Spitznamen Smiri verpaßt hat, man stelle sich das mal vor!
Das war vor über acht Jahren, und ich habe leider wirklich den zeitlichen Überblick verloren, wann was war und wann wir uns so merkwürdig auseinandergelebt haben.
Ich bin sogar in Deine Wohnung gezogen, als Du nach Tübingen gegangen bist - das erste Mal alleine wohnen, die Zeit mit dem Miszter, das war alles in dieser Wohnung, die ich von Dir übernommen habe.
Kennengelernt haben wir uns bei den Vorbereitungen für eine Kinderfreizeit, das muß 2001 oder 2002 gewesen sein (wie gesagt, ich kriege die genauen Jahreszahlen einfach nicht mehr so gut hin) - und ganz schnell angefreundet.
So fest angefreundet, daß es bei einem späteren Vorbereitungstreffen, an dem Du noch nicht da warst, hieß: "Smiri, weiß Du, wo der Anker ist?"
Ich habe leider wahnsinnig viel vergessen aus der Zeit, aber ich weiß noch, daß wir abendelang in Deiner Wohnung gesessen haben, im Wohnzimmer, geredet, Musik gehört.
Dein alter Monitor auf einem Skateboard als Fernseher.
Wie Dein Wohnzimmer und Dein Schlafzimmer eingerichtet waren - das habe ich später genauso übernommen, als ich in diese Wohnug gezogen bin, stand alles genau am gleichen Platz: Mein Bett, mein Kleiderschrank, mein Sofa, die Bücherregale, mein Schreibtisch - eine Kopie der Ankerschen Wohnung, mit meinen Möbeln nachgebaut.

Nächtelang gekickert im Eck, mit Deinen Jungs, ich als einzige Frau und dann noch sechs Jahre jünger - was ein Gespann!
Und daß ich verdammt oft bei Dir übernachtet habe, Du morgens diszipliniertestens um acht aufgestanden bist, um um zehn an der Uni zu sein, an Deiner Diss zu arbeiten, nachdem wir bis um zwei, drei Uhr gesoffen und gelacht haben. Damals habe ich Euch Jungs oft damit aufgezogen, wenn Ihr um drei schon heim wolltet. Heute sage ich einfach nur: Respekt, ich kann das mit 30 nicht mehr. Und mit 32 schon gar nicht.

Wenn ich an Dich denke, sehe ich ein Kinderfreizeitfoto von Dir, was ich vielleicht sogar irgendwo noch habe: Du mit langen Haaren und Zigarette im Mundwinkel, der Du irgendwem außerhalb des Bildes was erzählst. Dein lautes, herzliches Lachen. Deine Hände, wie Du irgendwas erklärst.

Du hast mir beigebracht, auch mal Nein zu sagen, wenn ich keine Lust auf Kaffeetrinken oder was unternehmen hatte. Und daß das okay ist und nichts mit Ablehnung der anderen Person zu tun hat, sondern daß "Ich habe keine Lust darauf, Kaffee trinken zu gehen" genau das heißt und nicht "Ich habe keine Lust, Dich zu sehen, weil ich sauer auf Dich bin". Das konnte ich damals noch nicht, und habe Dich die ersten Male nicht verstanden, wenn Du mir das gesagt hast.

Natürlich habe ich mich heftigst in Dich verliebt. Du warst damals immerhin mein Traummann und allerbester Freund der Welt, eine zeitlang. Wir waren so dermaßen ein Kopp und ein Arsch, das hatte ich bis dato mit einem Mann noch nie erlebt. Eine innige Beziehung in Herz und Verstand, wie soll man sich da nicht verlieben?
Und Du hast so cool und erwachsen reagiert, als ich Dir das gestund: Mir in aller Ruhe erklärt, daß Du nicht so für mich fühlst. Gesagt, wir sehen uns zwei Wochen lang nicht, weil das besser für mich ist. Erstmal Abstand geschaffen, was mir immens geholfen hat, Dich wieder als sehr guten Freund zu sehen - und mich zu "entlieben".

Ich weiß nicht, wie diese enge Bindung auseinandergedriftet ist - es fing an, als Du nach Tübingen gezogen bist. Ich weiß, ich war Dich einmal besuchen...irgendwie ist der Kontakt eingeschlafen, aber ich habe mich immer tierisch gefreut, Dich zu sehen.

So auch das eine Mal in der Garage, als ich Dich getroffen habe - wir waren beide schon betrunken, glaube ich, und ich hatte entweder Deinen oder den Geburtstag eines sehr guten Freundes von Dir verpeilt, irgendsowas - und ich habe mich dermaßen gefreut, Dich zu sehen, bin freudestrahlend auf Dich zu und Du hast mich mit einem Schwall von Vorwürfen empfangen, von denen ich im Laufe der Zeit fast alles vergessen habe. Nur einen Satz habe ich behalten: "Du hast mich im Stich gelassen."

Und diesen Satz habe ich bis heute nicht verstanden.
Ich dachte, wir haben uns auseinandergelebt, räumlich und überhaupt - und ich war einfach nur froh, Dich als besten Freund gehabt zu haben. Ich weiß nicht, woher die ganze Wut auf mich herkam, warum sie sich plötzlich in diesem Wortschwall entladen hat, Sturmflut aus Verletzung (Deine Verletzung und der Versuch, mich zu verletzen) und Beleidigung und Beleidigtsein und dieser Satz "Du hast mich im Stich gelassen."
Ich habe damals wie heute nie verstanden, was an diesem Abend bei Dir passiert ist, ich habe versucht, mit Dir zu reden, Du wolltest nicht und hast vollkommen abgeblockt.
Ich bin dann weinend nach Hause und habe nicht begriffen, was da gerade passiert war.

Wochen, Monate, Jahre (?) später hab ich Dich zufällig wiedergesehen. Du hattest kurze Haare, hattest zugenommen, warst ergraut und sahst plötzlich hundert Jahre älter und so verdammt fremd aus. Und Du hast mich nicht gesehen, absichtlich, und das mit einer Härte und Kälte, die mir fast noch mehr weh getan hat als die Sturmflut vorher.
Ich hatte Dich endgültig verloren, so pathetisch das klingt, und seitdem fehlst Du mir. Weil Du mir gezeigt hast, wie tief man mit einem Menschen befreundet sein kann, ohne mit ihm in einer Paarbeziehung zu sein - und weil ich das seitdem gesucht, aber nie mehr so gefunden habe.

Seitdem hast Du mich nicht mehr gegrüßt, wenn wir uns zufällig getroffen haben, nie wieder mit mir gesprochen, und was bleibt, ist ein bitteres Gefühl bei mir, das ungeklärte Ende einer Freundschaft und - wie ich gerade feststelle- meinerseits das Gefühl, daß DU mich in der Situation im Stich gelassen hast.

Mittlerweile (bzw nach meinem letzten Stand der Dinge, der nun auch schon Jahre her ist) hast Du Frau und Kind und bist in Berlin.

Ich weiß nicht, was Du machst und ich weiß nicht, ob Du noch manchmal in dieser Stadt hier bist und vielleicht sogar manchmal an mich denkst, wenn Du durch "unsere" Straßen ziehst.
Ob Du das Foto von Dir mit der Zigarette im Mundwinkel noch hast.

Ich weiß nur, ich habe viel von Dir gelernt - und wir haben uns offensichtlich gegenseitig furchtbar weh getan, ohne es zu wollen und ohne es zu wissen.

Ich hoffe sehr, daß Du diese Verletzung überwunden hast.
Ich für meinen Teil bin gerade erst dabei, die Verletzung zu überwinden - aber ich glaube, ich kann Dich jetzt loslassen.
Vergessen werde ich Dich nie.

Anker, ich wünsche Dir nur das Beste, als Partner, Vater, als Freund und als Mensch für die Personen, die Dir in Deinem Leben nun wichtig sind.

War schön, Dich so nah in meinem Leben gehabt zu haben.
Wäre schön, mal wieder von Dir zu hören.

Danke für alles,

Deine

Smiri.

Letters to Lords and Ladies: Eine Einführung.

Ich habe wirklich lange überlegt, ob ich das machen soll. Die Idee gibt es schon länger, eine neue Kategorie einzuführen hier in Smiris Welt bzw. dieses Projekt zu starten - gescheitert ist es an Überlegungen wie "Ist das nicht zu intim?", "Ich habe dafür keine Zeit!", "Muß das überhaupt sein?". Bis jetzt.
Ich werde hier Briefe schreiben, an Menschen, die mir wichtig waren. Und in diesen Briefen versuchen, loszulassen, unklare Dinge für mich zu klären und aufzuschreiben, um mich davon zu befreien. Was ich aufschreibe und festhalte, schwirrt nicht mehr lose in meinen Gedanken. Es bekommt seinen Platz hier und kann nicht mehr im Weg rumstehen, auf daß ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit drüberfalle.
Ist ein bißchen wie aufräumen: Im Herzen und im Kopf entrümpeln und Dinge einfach mal wohinstellen, loslassen, weggeben und mich freier und offener machen für das, was ist und das, was da kommt - weil das, was war nicht mehr störend alles zumüllt.
Mal sehen, wer alles einen Brief bekommt - ich weiß es selber noch nicht so genau. Genau wie beim Kellerentrümpeln: Da weiß man auch nie vorher, was alles zutage tritt in den ganzen Kisten und Ecken...

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