Samstag, 3. Juni 2006

Six Feet Under und die Folgen.

Dieser Eintrag ist mehr als fällig, nur leider beim ersten Verfassen vor einer Woche von meinem Rechner gefressen worden, bevor ich ihn posten konnte. Hier also der zweite Versuch zu einem Thema, was mich schwer beschäftigt.
Achtung: Für diejenigen, denen das Thema Tod und Sterben unangenehm ist oder die sich einen lustigen, unbeschwerten Eintrag erhoffen, wird das heute nichts. Also besser diesen Eintrag überspringen...


Ausgelöst wurde der stream of consciousness durch die erste und zweite Staffel Six Feet Under, die dieses Wochenende durch die dritte und vierte ergänzt wird. Gestorben wird immer, heißt es. Und es geht um Tod und Sterben und den ganz normalen Wahnsinn, den das Leben so mit sich bringt.

Seitdem denke ich viel nach über mich und mein Leben und mein Verhältnis zum Tod. Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich habe nur Angst davor, hungrig aus dem Leben zu gehen und unglücklich und im Wissen, ganz viel falsch gemacht zu haben. Das ist das, was ich definitiv nicht will. Ich will satt vom und zufrieden mit dem Leben sterben.

Und ich will darüber reden. Meine Oma wollte das, bevor sie starb, und alle Verwandten haben nur abgewunken und mit Floskeln um sich geworfen: "Ach Quatsch, Du stirbst doch nicht." Doch, sie ist gestorben. Und meines Wissens starb sie, ohne vorher mit denen, die ihr nahestehen, darüber reden zu können, ohne sagen zu können, was ihr wichtig war im Leben und was ihr wichtig war am eigenen Sterben. Ich weiß nichts über ihre Ängste und Sehnsüchte und Gefühle, die sie hatte. Ich weiß nur: Sie wollte nicht mehr leben, sie wollte sich verabschieden, und das schon jahrelang. Und ich wage fast zu glauben, daß sie nur unseretwegen noch weitergemacht hat, sich gequält hat, obwohl sie selber eigentlich keine Lust mehr auf ihr eigenes Leben in Krankenzimmern und Pflegeheimen hatte. Und als sie dann vor fast fünf Jahren endlich gehen konnte, habe ich mich geschämt, weil ich gemerkt habe, daß sie reden wollte und ich nicht den Mut hatte, alleine zu ihr zu fahren und genau das zu tun: Zu reden. Sie ernst zu nehmen und ihr zuzuhören.

Außerdem habe ich am Montag erfahren, daß meine Tante, die ich vor fünfzehn Jahren oder so das letzte Mal gesehen habe, vor anderthalb Jahren gestorben ist. Ich wußte das nicht. Man stelle sich das vor: Meine Tante väterlicherseits stirbt, und ich erfahre erst anderthalb Jahre später davon. Das finde ich erschreckend... Vor allem, wie sie gestorben ist: An den Folgen von Alkoholismus, respektloser ausgedrückt, sie hat sich totgesoffen.

Das sind beides Menschen, die hungrig gestorben sind und unglücklich. Und so möchte ich mein Leben nicht beenden...

Und über Abschiede denke ich nach, denn noch nie zuvor habe ich mich von so vielem verabschieden müssen wie im letzten Jahr: Der Miszter ist weg, Frere Roger ist tot, die Uni bald vorbei, alte Bilder von mir und anderen ad acta gelegt oder zumindest bewußt reflektiert und dabei, sie zu revidieren und an die Realität anzupassen. Ich trenne mich von meiner Wohnung, von viel Ballast. Und nehme Abschied von Rollen und Mustern, die mich geprägt haben aber so nicht mehr funktionieren. Ich habe Gott verloren, nicht ganz, aber doch genug, um ihn zu vermissen in meinem Leben. Mein Urvertrauen ist erschüttert, nicht ganz weg, aber hat doch eine Lücke hinterlassen, die sich mit Mißtrauen und Vorsicht füllt. Ein Großteil meiner Naivität und meines Optimismus hat mich verlassen, um Platz zu machen für mehr Vernunft oder das, was ich dafür halte. Ich will von alten Ängsten Abschied nehmen und sie loslassen, weil sie nicht mehr zu mir gehören.

Und trotz all dieser Abschiede habe ich nicht das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Ich befinde mich vor sehr vielen und stellenweise auch sehr schmerzhaften Neuanfängen auf allen Ebenen, und ich weiß, wenn es auch dauert und nicht schön wird und ich auch einsam bin zuweilen, weil auch Gott nicht mehr immer da ist, sondern ich wirklich ganz ganz ganz essentiell ALLEINE bin und auf mich zurückgeworfen und gerne mal wieder in den Arm genommen werden würde, wenn ich auch gerne mein Herz wieder glücklich fühlen würde und verliebt und geborgen, wenn ich es auch vermisse, nicht alleine einzuschlafen oder zu beten und Antwort zu bekommen, so weiß ich doch: Es ist gut so, wie es ist.

Ich bin hungrig und müde vom vielen Laufen und ich will stehenbleiben und mich satt essen am Leben und an mir, wie ich bin, wenn ich nicht von außen definiert werde. Aber im Moment bin ich erstmal nur am Wegesrand stehengeblieben, um mich auszuruhen und mal auf die Karte zu schauen, wo ich denn eigentlich hin will mit mir und meiner Zeit, die mir bleibt, um glücklich zu werden. Und das ist mehr als richtig. Weil mir vom Weg bis hierhin alles wehtut und gerade heute, verkatert wie ich bin, mein Herz schmerzt, mehr als sonst, oder sagen wir: Der Schmerz tritt offener zu tage, weil es um mich herum so ruhig ist.

Abschiede und Neuanfänge, so abgedroschen das auch klingt, so aktuell ist es für mich. Ich verarbeite und vermisse das, was gut war, und verarbeite und lerne aus dem, was schlecht war. Und finde neue Dinge und Energien und versuche, beim Aufräumen Verlorenes wiederzufinden und so gut aufzubewahren, daß ich es jederzeit wiederfinden kann.

Eine ernsthafte, stille, ruhige Smiri schreibt hier, und es ist nicht ganz klar, wo sie sich zu Zeit befindet: In Trash Town oder außerhalb.

Trash Town wird mich noch eine ganze Weile begleiten, so groß und voll ist die Stadt und gleichzeitig so einsam. Aber trotz seiner düsteren Unruhe strahlt Trash Town zur Zeit etwas wie Würde aus und Stolz, weil es sich bewußt wird, daß es auf den Mauern eines Palastes gebaut wurde. Mit ein wenig Umstrukturierung und Umbaumaßnahmen wird dieser verschüttete Schatz freigelegt, und dann braucht es nur noch einen neuen Namen für mein eigentliches Zuhause.

Aber bevor ich mich völlig in meiner metaphorischen Stadt aus Glas verliere, schaue ich lieber noch eine letzte Folge Six Feet Under für heute.
rgm - 4. Jun, 00:05

Staffelweise?

Du schaust wirklich Six Feet Under staffelweise und auch noch allein? Mir sind manchmal schon zwei Folgen hintereinander zu deprimierend. Obwohl mir die Serie eigentlich gut gefällt. Nur eben keine zu hohe Dosis auf einmal.

Was mich interessieren würde, falls du mal etwas darüber schreiben magst: Wie und warum hast du "Gott verloren"? Also nicht, dass mich das wundert, ich kann mir nicht vorstellen, wie intelligente Menschen an einen Gott glauben können. Aber bei dir muss es ja wohl ein Prozess gewesen sein, der durch etwas ausgelöst wurde. Würde mich interessieren.

LG Rolf

PS: Viel Vergnügen bei Six Feet Under.

Smiri (Gast) - 4. Jun, 18:02

Ja, staffelweise.

Tatsache: Ich leih mir die Staffeln aus und kucke dann ein Wochenende lang nichts anderes...ich mag die Serie unheimlich gerne und finde sie gar nicht mal so deprimierend. Sondern eher auf ihre Art und Weise realistisch und sehr gehaltvoll. Klar heule ich bei manchen Folgen, weil sie so traurig sind, aber das ist das Leben zuweilen, und das gibt man sich ja auch nicht nur einmal die Woche...

Naja, wie ich Gott verloren habe...das verdient einen eigenen Eintrag, nicht nur einen Kommentar. Und diesen Eintrag schreibe ich jetzt!

Nie fragen!

Smiris Welt

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Danke
Well I imagine you'd say no. I wouldn't blame you,...
castilla - 31. Mär, 22:03
Stolz für dich
Vielen Dank an den Autor. Ich weiß nicht, ob es Updates...
SabrinaKaiser (Gast) - 27. Mär, 18:12
campuses at the seaside
Flagler College and University of Hawaii at Manoa have...
ashtomullens - 21. Okt, 06:51
Very wonderful experience.
Very wonderful experience.
io game (Gast) - 30. Sep, 09:56
solipal
With the command of a competent and consistent recruiter,...
castilla - 9. Aug, 18:24

Suche

 

Status

Online seit 7065 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 31. Mär, 22:03

Credits


Becoming the Doctor
Building Trash Town
die Sicht des Phoenix
Driving Miss Smiri
Fundsachen
Letters to Lords and Ladies
Lieder von Tagen
Life of a HiWi
Little Tentacle
Magistra Aquarium
Note To Self
OrgaStuff
Realms of the Zockerqueen
Reverb 10
Smiri träumt
Smiris Guide to Smiris Welt
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren