Dienstag, 29. Mai 2012

Bindungsstile.

Übrigens: Mir ist gestern im Gespräch mit der Missy zum ersten Mal wirklich deutlich und bewußt geworden, was meine Eltern gemeinsam haben (wer hier öfter mitliest, weiß, daß ich tierische Schwierigkeiten habe, meine beiden Eltern in meinem Kopf zusammenzubringen, weil sie immer getrennt aufgetreten sind oder als zwei unvereinbare Kriegsparteien).
Beide haben die Fähigkeit, von heute auf morgen ihre Stimmung und ihre Beziehung zu anderen Menschen (beispielsweise zu mir) um hundertachtzig Grad zu drehen. Was gestern toll war, ist heute Scheiße, wer gestern gut war, ist heute böse, und was gestern Harmonie war, ist heute "schon immer total schwierig" gewesen.
Heute Freund, morgen Feind.
Und deswegen habe ich überhaupt keine Ahnung, wie sich eine sichere Bindung anfühlt, deswegen will ich immer irgendwas machen müssen, um geliebt zu werden, weil dieses Spiel nach Regeln funktioniert, die andere Menschen machen und denen ich folgen muß.
Meine Eltern sind beide psychisch krank. Mein Vater diagnostiziert und in Therapie, aber trotzdem bindungstechnisch vollkommen unberechenbar, meine Mutter weder diagnositiziert noch therapiert, aber je mehr ich über psychische Erkrankungen weiß, desto mehr erkenne ich: Da stimmt auch was ganz gewaltig nicht.

Oder anders: Ich bin das Kind psychisch kranker Eltern. Ich bin so unsicher gebunden, wie man als Kind nur unsicher gebunden sein kann - und daher kommt auch meine tiefsitzende Verlustangst. Existentielle VerlustPANIK, geradezu.
Das Gefühl der Leere, die zwanghafte Suche nach einem Platz in dieser Welt, nach Zugehörigkeit zu anderen Menschen.
Und meine Sprunghaftigkeit, wenn es um Emotionen geht.

Das erkennen oder verstehen meine Eltern wie es scheint überhaupt nicht, daß auch ich nur Teil eines Systems bin und daß ich REAGIERE auf das, was ich von zuhause mitbekomme.

Meine Mutter hat im letzten Gespräch ganz zielsicher alles getriggert, was zu triggern war: Mir vorgeworfen, ich hätte (zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt und ohne größeren Kontext, wäre ja Quatsch) zu ihr gesagt, ich könne sie nicht achten.
Einfach so, rumms, mitten im Gespräch, ich habe keine Ahnung, wovon sie redet oder was das soll.
Ich weiß nur, daß sie das früher schon gemacht hat, als ich klein und Kind war. Ich hätte angeblich Dinge zu ihr gesagt, schlimme Dinge. Und meine Beteuerungen, daß ich das nicht gesagt habe, waren Charakterschwächen ("Du kannst noch nicht mal dazu stehen, was Du sagst!"). Dazu ganz viel Wut bei ihr und panische Angst bei mir. Ich habe jahrelang jedes Wort, was ich zuhause gesagt habe, dreimal gewogen, ob man es akustisch falsch verstehen könnte (denn das war meine kindliche Erklärung: Meine Mutter hat sich nur verhört), laut und deutlich sprechen, nicht nuscheln.
Irgendwann als Teenager habe ich dann zurückgeschrien. Und dann war irgendwann Ruhe, zumindest war ich nicht mehr das Ziel. Andere haben dann plötzlich Dinge gesagt, irgendwann, ohne Kontext, angeblich.
Ich habe mich jahrelang geschämt, diese Geschichte zu erzählen. Ich weiß gar nicht, warum, aber ich habe mich so schuldig gefühlt und so...ja, geradezu "dreckig". Warum? Weiß ich nicht.

Und am Sonntag war es dann wieder ich.
Und da bin ich geplatzt.

Und gestern habe ich das der Missy erzählt und es hat mich unendlich erleichtert, und jetzt steht es hier.

Kommando: Untergang.

Dieses Lied hat mir die Missy empfohlen, und je öfter ich es höre, desto schöner wird es (Achtung, Herzbruchgefahr!):



Es gibt keinen Anlaß, außer die Erfahrung, die schmerzhafte, die wir wahrscheinlich alle kennen.

Übrigens: Auf dem Meer der männlichen Möglichkeiten herrscht plötzliche Flaute - keine Flaschenpost mehr. Nuja, dann eben nicht, ich weiß auch nicht, was da los ist. Ich werde mich auch so in meinem Leben amüsieren können.

Ich will malen, stricken, singen.

Komisch gehts mir, Internet.
Gestern einen wunderbaren Nachmittag mit der Missy gehabt, der Einiges wieder zurechtgerückt hat, sehr entspannt, sehr gelassen und sehr amüsiert ob der Absurdität meiner Eltern.
Heute aber anders: Heute habe ich Angst und will nur noch raus und malen. Ich habe das dringende Bedürfnis, ein riesiges Plakat vollzumalen und dazu Zoe Keating zu hören.
Dabei fällt mir auf, daß ich keine einzige freie Wand in meiner Wohnung habe. Das erdrückt mich irgendwie.
Aber: Ich kann ein Plakat mit Ducktape (<3 Ducktape! <3) an meine Balkonwand kleben und dort malen. Dann wirds bloß mit der Musik schwierig.
Ha! Schlafzimmer! Da ist mit ein wenig Umräumen Platz genug!
Das ist ein neuer Mechanismus, der mir gut gefällt: Meinen Zorn und meine Angst in kreative Handlungen umzusetzen. Zu stricken, zu malen, Schmuck zu basteln.
Wenn ich mich traue, einen Termin zu vereinbaren, endlich Gesangsunterricht nehmen.
Und Cello ausprobieren.

Nie fragen!

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