Das Meer in mir.
Eine Frau wie das Meer, so fühle ich mich.
Letztes Wochenende bin ich nach Sylt geflüchtet, hab mir die Nordsee angesehen und war zum ersten Mal in meinem Leben nackt baden, ich, Smiri, Kleidergröße 48 und knapp hundert Kilo schwer, lag zunächst in einem Leopardenbikini am Strand und bin dann nackt in der Nordsee geschwommen, man stelle sich das vor.
Manchmal braucht es ein ganzes Meer, um den Schlamm von der Seele zu spülen, und ich bin wacher und sensibler wieder nach Hause gekommen, weniger traurig, auch wenn ich jetzt mehr weine (bzw. überhaupt mal wieder weinen kann): Ich bin mehr bei mir und anwesend und weniger verzweifelt.
Und Echos Kommentar hat mir die Tränen in die Augen getrieben, weil es das ausdrückt, wie es mir geht: Ich verarbeite nach und nach all die Phasen dieses Jahres, in denen ich nur funktioniert habe. Und dazu gehört: Echo, ich vermisse Dich. Ich vermisse die Zeit im Park, ich vermisse unser nächtliches Gekicher im Zelt, ich vermisse das entspannte Rumhängen und das Leben auf sich regnen lassen. Du fehlst mir, mit Deiner Verpeiltheit, Deinen Poi, Deinen schönen schmalen Händen.
Aber ich fürchte, wir können nur an einem fixen Punkt in der Zeit zusammenkommen und uns nicht gut in der Zeit zusammen bewegen: Du und ich, wir sind ein Traum, wir sind Urlaub, freie Zeit, wilde Träume, schöne Stunden. Aber sind wir real?
Ich fürchte nicht, und deswegen habe ich mich von Dir getrennt: Ich schaffe den Spagat nicht auf die Dauer, zwischen zeitloser Momentaufnahme und kontinuierlichen Alltagsanforderungen. Wenn Du stehenbleibst oder driftest, ich aber voranschreiten muß, dann können wir nicht nebeneinander gehen.
Und doch: Du fehlst mir, und ich halte unsere gemeinsame Zeit als etwas Schönes, Kostbares und Wertvolles.
Wenn ich auch aus der Zeit ginge, dann könnten wir uns ein Luftschloß bauen.
Aber Benjen, ich muß ans Meer und nach Großbritannien und dort will ich leben - und das gut und konkret und in echt und nicht nur in der Phantasie. Und ich will dort arbeiten und einen Tagesablauf haben und einen Herd und kochen und Leute einladen und in einem Pub sitzen. Ich will in der Zeit leben, mit der Zeit - und nicht daneben oder außerhalb.
Ich habe beim Blick auf das Meer festgestellt, daß ich ein wunderbares Segelschiff habe, welches ich befehlige - und was dafür gemacht ist, raus aufs Meer zu segeln, Stürmen zu trotzen, einen Kurs zu halten und sich den wilden Wogen zu stellen.
Die Mitfahrer, die ich bis jetzt hatte, konnten dem nicht standhalten.
Sie hatten Angst vor dem offenen Meer, wie der Mann, dem es zuviel wurde, als wir den Hafen verließen und sich die ersten Wolken zeigten und Schaumkrönchen auf den Wellen. Manche Menschen wollen eben lieber ein Haus am Hafen - oder noch besser, ein Haus weit weg von der Küste.
Sie wollten manchmal den Kurs bestimmen und alles verändern, kaum daß ich weggesehen habe, sind mit Absicht in den Sturm gefahren und haben mir das Ruder aus der Hand gerissen wie der Miszter auf seine wilde, schöne und doch gefährliche Art.
Sie haben sich ein eigenes Schiff gebaut, bei mir gelernt, wie das mit dem Segeln geht, und dann ihren eigenen Kurs gesetzt, weg von mir, zu neuen Ufern, zu ihren eigenen Inseln, wie der Pferdedieb.
Sie haben sich meinen Kurs angesehen, sich meinem Kommando gefügt, aber heimlich Löcher in die Segel geschnitten oder den Wind aus meinen Segeln genommen: Flaute und herrlich entspanntes Dümpeln auf der ruhigen See. Wie Echo. Aber dadurch segeln wir nicht, kommen nicht vorwärts, und ich muß doch aufs Meer! Ich muß doch segeln! Ich muß doch weiter!
Das sind meine Nordseeerkenntnisse gewesen, und ich habe mich höflich bei ihr bedankt, daß ich diese Gedanken mit der großen blaugrauen Weite teilen durfte.
Ich muß wirklich am Meer wohnen. Nichts sonst macht mich so friedlich und ruhig und entspannt wie das Woosh-woosh-woosh der Wellen und die kreischenden Möwen und der Sand und der Wind und das Wasser. Da tue ich mir gut und Gutes, achte auf mich und kann klar denken. Ich muß alle paar Jahre das Meer sehen, sonst gehe ich ein, einfach so, wie eine Salzprimel*.
Eine Frau wie das Meer, ich sags ja.
[*Wer mich kennt, weiß, daß ich von Botanik genausoviel Ahnung habe, daß ich einen Kaktus von einer Tulpe unterscheiden kann. Eine Salzprimel ist ein kleines Blümchen, was gerne eingeht, wenn es nicht gegossen wird. Und zwar mit Meerwasser. Was denn? In einer Welt, in der es Pflanzen mit Namen wie "Affenbrotbaum" gibt, kann es auch Salzprimeln geben.]
Letztes Wochenende bin ich nach Sylt geflüchtet, hab mir die Nordsee angesehen und war zum ersten Mal in meinem Leben nackt baden, ich, Smiri, Kleidergröße 48 und knapp hundert Kilo schwer, lag zunächst in einem Leopardenbikini am Strand und bin dann nackt in der Nordsee geschwommen, man stelle sich das vor.
Manchmal braucht es ein ganzes Meer, um den Schlamm von der Seele zu spülen, und ich bin wacher und sensibler wieder nach Hause gekommen, weniger traurig, auch wenn ich jetzt mehr weine (bzw. überhaupt mal wieder weinen kann): Ich bin mehr bei mir und anwesend und weniger verzweifelt.
Und Echos Kommentar hat mir die Tränen in die Augen getrieben, weil es das ausdrückt, wie es mir geht: Ich verarbeite nach und nach all die Phasen dieses Jahres, in denen ich nur funktioniert habe. Und dazu gehört: Echo, ich vermisse Dich. Ich vermisse die Zeit im Park, ich vermisse unser nächtliches Gekicher im Zelt, ich vermisse das entspannte Rumhängen und das Leben auf sich regnen lassen. Du fehlst mir, mit Deiner Verpeiltheit, Deinen Poi, Deinen schönen schmalen Händen.
Aber ich fürchte, wir können nur an einem fixen Punkt in der Zeit zusammenkommen und uns nicht gut in der Zeit zusammen bewegen: Du und ich, wir sind ein Traum, wir sind Urlaub, freie Zeit, wilde Träume, schöne Stunden. Aber sind wir real?
Ich fürchte nicht, und deswegen habe ich mich von Dir getrennt: Ich schaffe den Spagat nicht auf die Dauer, zwischen zeitloser Momentaufnahme und kontinuierlichen Alltagsanforderungen. Wenn Du stehenbleibst oder driftest, ich aber voranschreiten muß, dann können wir nicht nebeneinander gehen.
Und doch: Du fehlst mir, und ich halte unsere gemeinsame Zeit als etwas Schönes, Kostbares und Wertvolles.
Wenn ich auch aus der Zeit ginge, dann könnten wir uns ein Luftschloß bauen.
Aber Benjen, ich muß ans Meer und nach Großbritannien und dort will ich leben - und das gut und konkret und in echt und nicht nur in der Phantasie. Und ich will dort arbeiten und einen Tagesablauf haben und einen Herd und kochen und Leute einladen und in einem Pub sitzen. Ich will in der Zeit leben, mit der Zeit - und nicht daneben oder außerhalb.
Ich habe beim Blick auf das Meer festgestellt, daß ich ein wunderbares Segelschiff habe, welches ich befehlige - und was dafür gemacht ist, raus aufs Meer zu segeln, Stürmen zu trotzen, einen Kurs zu halten und sich den wilden Wogen zu stellen.
Die Mitfahrer, die ich bis jetzt hatte, konnten dem nicht standhalten.
Sie hatten Angst vor dem offenen Meer, wie der Mann, dem es zuviel wurde, als wir den Hafen verließen und sich die ersten Wolken zeigten und Schaumkrönchen auf den Wellen. Manche Menschen wollen eben lieber ein Haus am Hafen - oder noch besser, ein Haus weit weg von der Küste.
Sie wollten manchmal den Kurs bestimmen und alles verändern, kaum daß ich weggesehen habe, sind mit Absicht in den Sturm gefahren und haben mir das Ruder aus der Hand gerissen wie der Miszter auf seine wilde, schöne und doch gefährliche Art.
Sie haben sich ein eigenes Schiff gebaut, bei mir gelernt, wie das mit dem Segeln geht, und dann ihren eigenen Kurs gesetzt, weg von mir, zu neuen Ufern, zu ihren eigenen Inseln, wie der Pferdedieb.
Sie haben sich meinen Kurs angesehen, sich meinem Kommando gefügt, aber heimlich Löcher in die Segel geschnitten oder den Wind aus meinen Segeln genommen: Flaute und herrlich entspanntes Dümpeln auf der ruhigen See. Wie Echo. Aber dadurch segeln wir nicht, kommen nicht vorwärts, und ich muß doch aufs Meer! Ich muß doch segeln! Ich muß doch weiter!
Das sind meine Nordseeerkenntnisse gewesen, und ich habe mich höflich bei ihr bedankt, daß ich diese Gedanken mit der großen blaugrauen Weite teilen durfte.
Ich muß wirklich am Meer wohnen. Nichts sonst macht mich so friedlich und ruhig und entspannt wie das Woosh-woosh-woosh der Wellen und die kreischenden Möwen und der Sand und der Wind und das Wasser. Da tue ich mir gut und Gutes, achte auf mich und kann klar denken. Ich muß alle paar Jahre das Meer sehen, sonst gehe ich ein, einfach so, wie eine Salzprimel*.
Eine Frau wie das Meer, ich sags ja.
[*Wer mich kennt, weiß, daß ich von Botanik genausoviel Ahnung habe, daß ich einen Kaktus von einer Tulpe unterscheiden kann. Eine Salzprimel ist ein kleines Blümchen, was gerne eingeht, wenn es nicht gegossen wird. Und zwar mit Meerwasser. Was denn? In einer Welt, in der es Pflanzen mit Namen wie "Affenbrotbaum" gibt, kann es auch Salzprimeln geben.]
smiri - 17. Aug, 14:30
campuses at the seaside