Müdigkeit! Erleichterung! Tucholsky!
...und Preßlufthämmer, liebe Leser, ein ganzes Bataillon. Mal wieder vor meinem geschätzten Bürofenster, was dank heruntergebrochener Deckenplatte nicht mehr vollständig zu schließen geht. Es fällt mir schwer, mich auf irgendwas zu konzentrieren, weil es die ganze Zeit tacktacktacktacktacktacktacktacktacktackt, so laut, daß ich nicht mal Musik hören kann...
Das Wochenende war jedenfalls sehr anstrengend und arbeitsintensiv, allerdings habe ich es erfolgreich hinter mich gebracht und zwischendrin bzw. am Ende auch sehr interessante Gespräche geführt.
Eines dieser Gespräche ist auch der Grund für meine Müdigkeit (warum sagen die Zombies nicht einfach "not enough sleep"?), was mir aber erstens durchaus lohnenswert erschien und mir zweitens meine Tucholskylektüre, ausgelöst durch die Magisterprüfungen von Frau S., in Erinnerung gerufen hat: "Schloß Gripsholm" und "Rheinsberg". Beides ganz großartige Bücher mit gar vortefflichen Formulierungen, wie sie eigentlich nur Tucholsky hinbekommt.
Hier meine Lieblingszitate aus "Schloß Gripsholm":
[...]"Oben standen wir dann am Schiffsgeländer, atmeten die reine Luft und blickten auf die beiden Küsten -- die dänische, die zurückblieb, und die schwedische, der wir uns näherten. Ich sah die Prinzessin von der Seite an. Manchmal war sie wie eine fremde Frau, und in diese fremde Frau verliebte ich mich immer aufs neue und mußte sie immer aufs neue erobern. Wie weit ist es von einem Mann zu einer Frau! Aber das ist schön, in eine Frau wie in ein Meer zu tauchen. Nicht denken... Viele von ihnen haben Brillen auf, sie haben es im eigentlichen Sinne des Wortes verlernt, Frau zu sein -- und haben nur noch den dünnen Charme. Hol ihn der Teufel. Ja, wir wollen wohl ein bißchen viel: kluge Gespräche und Logik und gutes Aussehen und ein bißchen Treue und dann dieser nie zu unterdrückende Wunsch, von der Frau wie ein Beefsteak gefressen zu werden, daß die Kinnbacken krachen... »Hast du schwedischen Geldes?« fragte die Prinzessin träumerisch. Sie führte gern einen gebildeten Genitiv spazieren und war demzufolge sehr stolz darauf, immer »Rats« zu wissen. »Ja, ich habe schwedische Kronen«, sagte ich. »Das ist ein hübsches Geld -- und deshalb werden wir es auch nur vorsichtig ausgeben.« -- »Geizvettel«, sagte die Prinzessin. Wir besaßen eine gemeinsame Reisekasse, an der hatten wir sechs Monate herumgerechnet. Und nun waren wir in Schweden."[...]
[...]"In diesem Augenblick war jeder ganz allein, sie saß auf ihrem Frauenstern, und ich auf einem Männerplaneten. Nicht feindselig... aber weit, weit voneinander fort.
Mir stiegen aus dem braunen Whisky drei, vier rote Gedanken durchs Blut... unanständige, rohe, gemeine. Das kam, huschte vorbei, dann war es wieder fort. Mit dem Verstand zeichnete ich nach, was das Gefühl vorgemalt hatte. Du altes Schwein, sagte ich zu mir. Da hast du nun diese wundervolle Frau... du bist ein altes Schwein. Kein Haus ohne Keller, sagte das Schwein. Mach dir doch nichts vor! Du sollst das nicht, sagte ich zu dem Schwein. Du hast mir schon so viel Kummer und Elend gemacht, so viel böse Stunden... von der Angst, daß ich mir etwas geholt hätte, ganz zu schweigen. Laß doch diese unterirdischen Abenteuer! So schön ist das gar nicht -- das bildest du dir nur ein! Höhö, grunzte das Schwein, das ist also nicht schön. Stell dir mal vor... Still! sagte ich, still! Ich will nicht. Oui, oui, sagte das Schwein und wühlte schadenfroh; stell dir vor, du hättest jetzt... Ich schlug es tot. Für dieses Mal schlug ich es tot -- sagen wir: ich schloß den Koben ab. Ich hörte es noch zornig rummeln... dann sangen wieder die Gläser, ganz, ganz leise, wie wenn eine Mücke summte. »Daddy«, sagte die Prinzessin, »kann man hier eigentlich das blaue Kostüm tragen, das ich mitgenommen habe?«
Ich war wieder bei ihr; wir saßen wieder auf demselben Trabanten und rollten gemeinsam durch das Weltall. »Ja...«, sagte ich. »Das kannst du.« - »Paßt es?« - »Natürlich. Es ist doch diskret und leise in der Farbe, das paßt schön.« -- »Du sollst nicht soviel rauchen«, sagte ihre tiefe Stimme; »dann wird dir wieder übel, und wer hat's nachher? Ich. Tu mal die Pfeife weg.«
Ich, Sohn, tat die Pfeife weg, weil die Mutter es so wollte.
Leise legte ich meine Hand auf die ihre."[...]
Und bevor ich hier ganz Schloß Gripsholm zusammenzitiere: Selber lesen!
Ein bißchen was von Tucholsky gibt es online bei Projekt Gutenberg. Also: Viel Spaß damit!
Das Wochenende war jedenfalls sehr anstrengend und arbeitsintensiv, allerdings habe ich es erfolgreich hinter mich gebracht und zwischendrin bzw. am Ende auch sehr interessante Gespräche geführt.
Eines dieser Gespräche ist auch der Grund für meine Müdigkeit (warum sagen die Zombies nicht einfach "not enough sleep"?), was mir aber erstens durchaus lohnenswert erschien und mir zweitens meine Tucholskylektüre, ausgelöst durch die Magisterprüfungen von Frau S., in Erinnerung gerufen hat: "Schloß Gripsholm" und "Rheinsberg". Beides ganz großartige Bücher mit gar vortefflichen Formulierungen, wie sie eigentlich nur Tucholsky hinbekommt.
Hier meine Lieblingszitate aus "Schloß Gripsholm":
[...]"Oben standen wir dann am Schiffsgeländer, atmeten die reine Luft und blickten auf die beiden Küsten -- die dänische, die zurückblieb, und die schwedische, der wir uns näherten. Ich sah die Prinzessin von der Seite an. Manchmal war sie wie eine fremde Frau, und in diese fremde Frau verliebte ich mich immer aufs neue und mußte sie immer aufs neue erobern. Wie weit ist es von einem Mann zu einer Frau! Aber das ist schön, in eine Frau wie in ein Meer zu tauchen. Nicht denken... Viele von ihnen haben Brillen auf, sie haben es im eigentlichen Sinne des Wortes verlernt, Frau zu sein -- und haben nur noch den dünnen Charme. Hol ihn der Teufel. Ja, wir wollen wohl ein bißchen viel: kluge Gespräche und Logik und gutes Aussehen und ein bißchen Treue und dann dieser nie zu unterdrückende Wunsch, von der Frau wie ein Beefsteak gefressen zu werden, daß die Kinnbacken krachen... »Hast du schwedischen Geldes?« fragte die Prinzessin träumerisch. Sie führte gern einen gebildeten Genitiv spazieren und war demzufolge sehr stolz darauf, immer »Rats« zu wissen. »Ja, ich habe schwedische Kronen«, sagte ich. »Das ist ein hübsches Geld -- und deshalb werden wir es auch nur vorsichtig ausgeben.« -- »Geizvettel«, sagte die Prinzessin. Wir besaßen eine gemeinsame Reisekasse, an der hatten wir sechs Monate herumgerechnet. Und nun waren wir in Schweden."[...]
[...]"In diesem Augenblick war jeder ganz allein, sie saß auf ihrem Frauenstern, und ich auf einem Männerplaneten. Nicht feindselig... aber weit, weit voneinander fort.
Mir stiegen aus dem braunen Whisky drei, vier rote Gedanken durchs Blut... unanständige, rohe, gemeine. Das kam, huschte vorbei, dann war es wieder fort. Mit dem Verstand zeichnete ich nach, was das Gefühl vorgemalt hatte. Du altes Schwein, sagte ich zu mir. Da hast du nun diese wundervolle Frau... du bist ein altes Schwein. Kein Haus ohne Keller, sagte das Schwein. Mach dir doch nichts vor! Du sollst das nicht, sagte ich zu dem Schwein. Du hast mir schon so viel Kummer und Elend gemacht, so viel böse Stunden... von der Angst, daß ich mir etwas geholt hätte, ganz zu schweigen. Laß doch diese unterirdischen Abenteuer! So schön ist das gar nicht -- das bildest du dir nur ein! Höhö, grunzte das Schwein, das ist also nicht schön. Stell dir mal vor... Still! sagte ich, still! Ich will nicht. Oui, oui, sagte das Schwein und wühlte schadenfroh; stell dir vor, du hättest jetzt... Ich schlug es tot. Für dieses Mal schlug ich es tot -- sagen wir: ich schloß den Koben ab. Ich hörte es noch zornig rummeln... dann sangen wieder die Gläser, ganz, ganz leise, wie wenn eine Mücke summte. »Daddy«, sagte die Prinzessin, »kann man hier eigentlich das blaue Kostüm tragen, das ich mitgenommen habe?«
Ich war wieder bei ihr; wir saßen wieder auf demselben Trabanten und rollten gemeinsam durch das Weltall. »Ja...«, sagte ich. »Das kannst du.« - »Paßt es?« - »Natürlich. Es ist doch diskret und leise in der Farbe, das paßt schön.« -- »Du sollst nicht soviel rauchen«, sagte ihre tiefe Stimme; »dann wird dir wieder übel, und wer hat's nachher? Ich. Tu mal die Pfeife weg.«
Ich, Sohn, tat die Pfeife weg, weil die Mutter es so wollte.
Leise legte ich meine Hand auf die ihre."[...]
Und bevor ich hier ganz Schloß Gripsholm zusammenzitiere: Selber lesen!
Ein bißchen was von Tucholsky gibt es online bei Projekt Gutenberg. Also: Viel Spaß damit!
smiri - 11. Sep, 16:39